Johanna Bruckner

I too, Have Been Seduced by the Promise of Exposure

Podiumsdiskussion
I too, Have Been Seduced by the Promise of Exposure
Kunsthaus Hamburg
21. Februar 2018
Diskussionspapier

Johanna Bruckner (artist, Hamburg)
Dr. Pit Hosak (Ministry of Culture and Media Hamburg)
Annika Kahrs (artist, Hamburg)
Prof. Dr. Luckow (director Deichtorhallen)
Jasmina Metwaly (artist, Berlin/Cairo)
Dr. Nina Möntmann (art historian, curator, Hamburg)
Dr. Ingrid Wagner (Senate Department for Culture and Europe, Berlin)
Nicole Wermers (artist, London)

 

Mit diesem Statement setzen wir uns für die Bedingungen künstlerischer Arbeit in und außerhalb Hamburgs ein. Das Ziel dieser beginnenden Debatte ist, in gemeinsamer Diskussion einer entstehenden Arbeitsgruppe Lösungsvorschläge zu den im Folgenden genannten Punkten zu besprechen. Die geplante Arbeitsgruppe erarbeitet Kurz- und Langzeitstrategien basierend auf Erfahrungen unserer Arbeitsbedingungen; und welche Infrastrukturen künstlerischer Produktion neu orientiert oder ausgebaut werden können. Einige gesammelte Anliegen wollen wir in Kürze umreisen.

 

Weltweit organisieren sich KünstlerInnen zur Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen und die kollektive Organisation ihrer Forderungen werden zunehmend sichtbar. Das Statement der Nominierten des Preises der Nationalgalerie[1] ist nur ein Beispiel von vielen. Künstlerische Arbeit ist weitgehend von sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bedingungen im lokalen und globalen Kontext abhängig. Aus unserer Sicht ist zunächst von Bedeutung, sich nicht nur auf die Erhöhung und möglicher Neuorientierung der öffentlichen Kunstförderung zu beschränken, sondern eine Anbindung an die Entwicklungen von Mietenpolitik und Stadtraum zu vollziehen und sich im Hinblick auf Arbeit und Gemeinschaft zu positionieren.

 

1. Budget und Vergütung für künstlerische Arbeit

 

Wieviel Budget und welche finanziellen Mittel stehen der Kultur- und Kunstförderung in Hamburg zur Verfügung? Wie ist die verteilt? Welche Bereiche werden mit mit welchen Anteilen unterstützt? Wer entscheidet über die Verteilung? Wir fordern Transparenz in der Verteilung der öffentlicher Gelder und eine aktive künstlerische Position in den Gremien und auf der Entscheidungsebene der Verteilung.

 

Vergangenen Dezember haben die BewerberInnen des Hamburger Arbeitsstipendiums die Erhöhung des Betrags eingefordert, der seit den 80er Jahren unverändert geblieben ist und damals sämtliche Lebenskosten decken sollte, nun aber an die derzeitige wirtschaftliche Lage angepasst werden soll.[2] Wir wiederholen im Rahmen dieser öffentlichen Diskussion unsere Forderung nach der Erhöhung der öffentlichen KünstlerInnenförderung wie beispielweise das Hamburger Arbeitsstipendium, denn es muss auch die Produktionskosten unserer künstlerischen Arbeit einschließen. Viele von uns arbeiten vermehrt forschungsorientiert und unsere Praxis ist logistisch komplex. Produktionen sind an enge Recherchen zu gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen gekoppelt und schlagen oft neue Entwürfe zu vorhandenen Realitäten vor. Die zu koordinierende Produktion ist aufwendig und der Ort der Präsentation in die Produktion der Ausstellung oder der Performance miteinbezogen, da er eine wesentliche Rolle spielt. Das erfordert hohe Budgets. Aber nicht nur die in den künstlerischen Produktionen mitwirkenden Arbeitskräfte sollen entsprechend honoriert werden damit sie ihre Mieten bezahlen können, sondern auch wir Künstlerinnen selbst. Wir fordern hiermit deshalb einen Topf für die Produktionskosten von Ausstellungen sowie Stipendien für die Vorbereitung und Recherchen für Ausstellungen. Wir fordern Ausstellungshonorare für institutionelle Ausstellungen, deren Höhen öffentlich einsehbar sein sollen. Wir fordern Honorare für Screenings und performativen Formate sowie für öffentliche KünstlerInnengespräche.

Im skandinavischen Stipendiensystem beispielsweise werden im Rahmen von der direkten Förderung sowohl kurzfristige Arbeits- und Produktionsstipendien für junge Kunstschaffende als auch langfristige Unterstützungen über mehrere Jahre vergeben und dienen ihrer sozialen Absicherung. Umfangreiche Förderungen erhalten KünstlerInnen auch für die Anschaffung von Material, Ausrüstung, Recherchen und Ausstellungsvorbereitungen. Im Folgenden wollen wir die Praxis und Aktivitäten der Organisation W.A.G.E in unsere Überlegungen einbeziehen. 

 

In den von W.A.G.E (Working Artists in the Greater Economy)[3] genannten und international anerkannten Regulierungen von der Vergütung künstlerischer Arbeit muss diese nach einem öffentlich festgehaltenem Kriterienkatalog honoriert sein[4]. Würden wir diese Regulierungen, die zunächst nur für vertraglich geregelte künstlerische Arbeitsverhältnisse gelten, auch auf das Produktionsfeld nicht vertraglicher Arbeitsstrukturen übertragen wie beispielsweise die freischaffende Produktion, so schlagen wir vor, und das wäre eine unserer Langzeitstrategien, dass ein weiteres Modell erarbeitet wird, damit ausreichende finanzielle Mittel für die Eigenversorgung, Atelierplatz und Produktionskosten auch von öffentlichen Stellen gesichert werden können. In  Zusammenarbeit mit W.A.G.E und der Behörde würden wir ein Modell für öffentliche Geldgeber erstellen, auf dessen Basis KünstlerInnen-Förderungen und Stipendien errechnet werden, basierend auf der Deckung unserer Arbeits - und Lebenskosten anhand von internationalen Regulierungen. Als eine unserer Kurzzeitstrategien würden wir demnächst ein Modell vorschlagen, indem wir konkrete Zahlen nennen (was wir brauchen um arbeiten und leben zu können) auf dessen Basis wir unsere Forderungen spezifizieren können. Im Rahmen dieses Modells würde auch besprochen werden, welche Punkte zur Berechnung in dieses Reglement aufgenommen werden könnten. Zunächst äußern wir uns näher zu unserem Verständnis des Produktionsfelds.  

 

2. Künstlerische Arbeit ist translokal

 

Die Sichtbarkeit unserer künstlerischen Arbeit ist zunehmend an unsere stete physische Präsenz im globalen Netzwerk der Zirkulation gekoppelt. Sharing Economies von Transportinfrastrukturen, Unterkunftsanbietern und Billigflügen leiten uns dazu an, verstärkt mobil und translokal zu arbeiten. Algorithmen kalkulieren unsere Interessen und leiten uns zu Ausstellungen, Recherchen und aktuellen Debatten, die wir nach Möglichkeiten real oder virtuell besuchen. Aufgrund von günstigerem Wohnraum und temporären Jobangeboten leben wir oft kurzfristig in anderen Städten. Unsere Reisen zu diesen Schauplätzen sind an Arbeitstreffen mit KuratorInnen, KünstlerInnen, KritikerInnen des Netzwerks gekoppelt - Emailing im Cafe zwischen Terminen, das Festlegen weiterer Meetings, die Koordination der Logistiken, «keep in touch». Der Wert dieses kreativen Lebensstils wird seit ein paar Dekaden von neoliberalen Entwicklungen absorbiert und der entstehende Mehrwert, sowie jener von Kunst selbst, wird selten an die Künstlerinnen zurückgebracht. Unsere soziale Präsenz wird als kreative Performance in Arbeitsstrukturen verwertet. Es geht uns deshalb darum, die Währung unserer Körper der Präsenz wiederum in eine Infrastruktur unserer Werte, in Assemblagen der Solidarität zu übersetzen, die von uns nutzbar gemacht werden können. Dies geschieht aber nur, insofern die Bedingungen dieser zu erschaffenden Allianzen auch von Kultur- und sozialer Politik unterstützt werden können.

 

3. Internationales Arbeitsfeld

 

Aufgrund der beschriebenen Translokalität unserer Arbeit fordern wir deshalb finanzielle Unterstützung unserer Reisekosten von und zu Ausstellungen an denen wir beteiligt sind, bzw. für Recherchezwecke und Vorbereitungen unserer Arbeit wichtig sind. Für dieses Anliegen wollen wir Infrastrukturen schaffen, damit dieses Anliegen realisiert werden  kann. Beispielsweise könnten Kooperationen mit der Deutschen Bahn herstellt werden, um diese Ideen verwirklichen zu können.

In diesem Zusammenhang ist uns auch die Stärkung unserer internationalen Vernetzung ein Anliegen. Der internationale Austausch von KünstlerInnenstipendiaten erhält einen immer wichtigeren Stellenwert in den Auslandsbeziehungen und Branding auf Stadt- und Staatsebene. Unser Vorschlag ist, neben der Angleichung des Förderbetrags an unser translokales Produktionsfeld, das Stipendium an lokale oder internationale Kooperationen zwischen StipendiatInnen und Institutionen zu koppeln, die bewusster gepflegt werden können. Die entstehende Arbeitsgruppe würde erarbeiten, wie solche Infrastrukturen der verstärkten internationalen Zusammenarbeit aussehen können; nicht nur in Bezug auf Budget und Funding, sondern auch die entstehenden Ressourcen der aufzubauenden professionellen und nachhaltigen Netzwerke in das Kunstfeld in Hamburg gebracht werden kann; um weiters künstlerische Infrastrukturen vor Ort zu stärken (beispielsweise das Schaffen weiterer Atelierplätze, die von der Stadt gefördert werden und über längere Zeit genutzt werden können).

 

4. Kollektive Arbeitsformen

 

Wie bereits zu Beginn skizziert, soll eine neu gebildete Arbeitsgruppe, die im Dialog mit W.A.G.E stehen könnte, sowohl im Austausch mit lokalen, nationalen als auch internationalen Positionen ein neues Modell für die Vergütung nicht-vertraglicher künstlerischer Produktion (wie beispielsweise Arbeitsstipendien und andere Förderungen) ausarbeiten. Dadurch würden auch jene Strukturen, die kollektive Arbeitsweisen fördern, gestärkt werden. Kollaborative Arbeitsformen sollen ein Branding entwickeln können und auch im Kunstfeld vermehrt sichtbar sein können.

 

Die Arbeit der entstehenden Arbeitsgruppe, die sich mit den Förderstrukturen der Zukunft beschäftigt und in Kurz- und Langzeitstrategien versucht, Infrastrukturen für regulierte künstlerische Arbeit aufzubauen, soll vergütet werden.  

 

Wir hoffen, durch diese Diskussionen, Statements und kommenden performativen, visuellen und diskursiven Artikulationen und weiteren politischen Stellungnahmen, die post-fordistische Deregulierung von kreativer Produktion konfrontieren zu können. Wir zielen mit diesem Diskussionspapier darauf ab, zu den folgenden Schritten der zunächst abstrakt skizzierten und aufzubauenden Infrastrukturen der Regulierung aktiv beizutragen.

 

Johanna Bruckner im Dialog mit Ida Lennartsson, Alice Peragine, Kirstin Burckhardt, Jenny Schäfer, Franziska Opel, Tintin Patrone.

 

[1] In ihrem Statement treten die Künstlerin für Ausstellungshonorare ein und kritisieren die Mobilisierung ihrer medialen Repräsentation für Business und Werbung. Vergleiche beispielsweise unter https://conversations.e-flux.com/t/statement-by-the-shortlisted-nominees-of-the-2017-preis-der-nationalgalerie/7315

[2] Seit 1980 werden jährlich zehn Stipendien vergeben, die auf monatlich 820 Euro dotiert sind. Der Betrag ist deutlich weniger als in Berlin und sogar weniger als ein Hartz IV Beitrag.

[3] W.A.G.E. (Working Artists and the Greater Economy) ist eine im Jahr 2008 gegründete Organisation aus New York. Ihre Mission ist, nachhaltige wirtschaftliche Beziehungen zwischen Künstlern und Institutionen und ihrer Arbeit durch Mechanismen der Selbstregulierung im Kunstfeld einzuführen, um kollektiv eine gleichere Verteilung der Wirtschaft anzustreben. Vergleiche unter http://www.wageforwork.com/home

[4] Vergleiche unter http://www.wageforwork.com/certification#top